Als ich aufgewacht bin und begriffen habe, was passiert ist, war ich entsetzt. Ich war fest davon überzeugt, dass ich bestraft werde, weil ich schuld an dem Unfall war, bei dem meine ganze Familie ums Leben gekommen ist. Aber jetzt, wo ich all das überwunden habe, muss ich gestehen, dass ich es gut finde, Auren zu sehen, weil ich dadurch eine Ahnung davon bekomme, wie sich die Leute fühlen. Und ich finde es herrlich, telepathisch mit Damen kommunizieren zu können! Allerdings ist es mir immer noch unangenehm, wenn ich unabsichtlich die Gedanken anderer aufschnappe. Manchmal denken nämlich sogar deine besten Freunde ein paar nicht ganz so nette Sachen über dich, und dann braucht man ein ziemlich dickes Fell oder in meinem Fall einen ganz starken Schild und eine Quantenfernbedienung!

Oh, daran denke ich jeden Tag! An Riley denke ich jeden Tag. Und manchmal fehlt sie mir so sehr, dass ich es kaum aushalte. Ich glaube, ich würde ihr am liebsten einfach sagen, dass – dass ich sie liebe und sie vermisse und ständig an sie denke, aber auch wie leid es mir tut, dass ich sie so lange bei mir behalten und sie nicht ihr Leben im Jenseits weiterführen lassen habe. Ich würde ihr auch gern sagen, dass sie sich keine Sorgen um mich zu machen braucht – denn ich kann sie zwar nicht wirklich sehen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie versucht, mich zu erreichen – und, na ja, sie soll einfach wissen, dass ich zwar vielleicht Fehler mache, aber auch etwas daraus lerne. Sie soll einfach ihr Leben im Jenseits weiterhin in vollen Zügen genießen, und vielleicht finden wir ja eines Tages einen Weg, um uns wiederzusehen.

Mir fehlen die Dinge, die ich früher für selbstverständlich gehalten habe. Du weißt schon, die kleinen Augenblicke, die man nie richtig würdigt, bis sie ein für allemal vorüber sind. Riley zuzuhören, wenn sie im Auto zur Musik aus ihrem iPod mitsingt – mit ihrer Krächzstimme, ganz laut und falsch; lange Spaziergänge mit Buttercup und meinem Dad zu machen; meiner Mom dabei zu helfen, ihre ganz besonderen Brownies nach ihrem Spezialrezept zu backen; und einfach zu wissen, dass sie immer für mich da waren, wenn ich sie gebraucht habe – selbst wenn ich dachte, ich brauchte sie nicht.

Kurz gesagt – einfach alles! Ganz im Ernst, das Manifestieren, die Großen Hallen des Wissens, das weite, duftende Feld – es ist alles total cool! Damen hatte recht, es ist magisch und macht süchtig, und manchmal bin ich echt in Versuchung, all meine Probleme sausen zu lassen und für immer dort hinzuziehen. Aber das kann ich nicht, es ist nicht richtig. Es ist verführerisch, aber nicht richtig.

Marie Antoinette, weil ihr Leben so faszinierend und glamourös war und so voller Drama und Aufregung. Und auch wenn es tragisch geendet hat, jetzt wo ich weiß, was ich weiß, nämlich dass der Tod gar nicht das Ende ist, könnte ich es, glaube ich, genauso tapfer durchstehen wie sie. Und da sie und Damen befreundet waren, bekäme ich außerdem auch ihn öfter zu sehen!

Ich liebe alte, romantische Schauerromane, und ich habe Sturmhöhe, Jane Eyre, Rebecca und die alten Victoria-Holt-Romane von meiner Mutter so oft gelesen, dass es schon fast peinlich ist!

Ich weiß nicht, ob ich schon lange genug dabei bin, um das sicher beurteilen zu können. Ich meine, der Gedanke, für immer hier auf der Erde zu leben, kommt mir nach wie vor ein bisschen surreal vor. Aber wenn Damen davon erzählt, wie er so unterschiedliche, interessante Leute getroffen hat wie Michelangelo, Einstein und die Beatles – also das finde ich echt total cool!

Wenn ich allerdings daran denke, von wem ich mich alles verabschieden muss – von Sabine, Miles, Haven und all den anderen, mit denen ich mich angefreundet habe –, tja, dann muss ich sagen, dass mir davor schon ziemlich graut …

Also, wie du ja weißt, habe ich Mist gebaut. Großen Mist. Aber ich finde immer noch, dass ich fast keine andere Wahl hatte! Ich meine, Damen lag eindeutig im Sterben – er war bleich, schwach und hat kaum noch geatmet – du hättest ihn mal sehen sollen! Und Rayne ist mir total unheimlich geworden, wie sie sich da so über ihn gebeugt und mir verboten hat, ihren Zauberkreis zu betreten! Ganz zu schweigen davon, dass sie nie besonders nett zu mir war und wie, na ja, wie sonderbar sie ist. Übrigens bin ich immer noch nicht ganz sicher, dass ich ihr trauen kann – aber verrat ihr bloß nicht, dass ich das gesagt habe, obwohl sie es wahrscheinlich sowieso schon weiß. Und nachdem Roman als Einziger eine reale und schnelle Lösung parat hatte, dachte ich, ich hätte keine andere Wahl, als das Risiko einzugehen. Mal ehrlich: Was würdest du denn tun? Du bist sechzehn, dein Seelenfreund liegt im Sterben, und dir bleiben nur ein paar Sekunden, um zu entscheiden, ob du der gruseligen Person Nummer eins oder der gruseligen Person Nummer zwei vertrauen sollst. Auf jeden Fall habe ich nicht total verloren, weil es ja funktioniert hat! Damen ist nicht gestorben. Na ja, oder vielleicht schon, aber nur vorübergehend, und ich habe ihn sofort zurückgeholt, denn genau darum ging es ja, oder? Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, ihm zu sagen, was ich getan habe (wovor mir total graut!), und sobald ich das hinter mir habe, muss ich eine Lösung finden, weil nämlich absolut nicht infrage kommt, dass Roman diese Runde gewinnt. Damals hat er mich genau in dem Moment erwischt, in dem ich am schwächsten und verletzlichsten war und die schlimmsten Ängste und Schuldgefühle hatte, aber jetzt bin ich stärker. Ich bin nicht mehr das Mädchen von damals. Ich will nicht behaupten, dass ich nie wieder einen Fehler machen werde, aber ich kann sagen, dass Roman sich mal lieber sehr vorsehen soll …

Eine echte und dauerhafte Verbindung zweier Seelen.

Es ist so einfach, sich von Aussehen, Image und solchen Sachen blenden zu lassen – glaub mir, das ist mir selbst schon passiert! Aber wenn zwei Menschen einander ergänzen, wenn sie das Beste aneinander zum Vorschein bringen, wenn sie zusammen lernen und reifen und einfach in jeder Hinsicht füreinander bestimmt sind – also, nachdem ich mich sechshundert Jahre lang auf der Erde umgesehen habe, kann ich ehrlich sagen, dass das das Schönste ist, was das Universum zu bieten hat.

Also, ich versuche, nicht allzu sehr darauf zu achten, weil es dabei mehr um mein äußeres Ich geht – du weißt schon, die Haare, die Kleider, das Haus, das Auto und solche Sachen. Es hat nichts damit zu tun, wer ich wirklich bin – das erkennt nur Ever.

Als ich ihr das erste Mal in die Augen gesehen habe, damals, als sie Dienerin im Haus eines meiner Freunde in Paris war, wusste ich, dass mein Leben nie mehr so sein würde wie zuvor. Es waren aber nicht nur ihre unbestreitbare Schönheit und ihre stille innere Kraft, die mich angerührt haben, sondern ich habe mich sofort mit ihr verbunden gefühlt – eine merkwürdige Vertrautheit, die man schwer erklären kann. Auf jeden Fall wusste ich von diesem Augenblick an, dass wir zusammengehören, und es fühlte sich so an, als hätte mein Leben endlich begonnen.

Ich liebe alles an Sommerland – es ist Verheißung und Schönheit in seiner reinsten Form. Die Verkörperung unserer allerbesten Seite, all des Guten, das wir als Menschen zu bieten haben. Und wenn wir nur einen Weg finden könnten, um unsere Vorurteile, unseren Hass, unsere Negativität und unsere Ängste zu überwinden, dann könnten wir uns garantiert auch hier auf der Erde selbst ein Sommerland erschaffen.

Tja, da gab es dieses kleine Missgeschick neulich im Getty Museum in Los Angeles – sagen wir einfach, wir sind gerade noch davongekommen, aber das könnt ihr alles in Evermore - Das Schattenland (Band 3) nachlesen. Und obwohl ich fürchte, dass Ever es nicht annähernd so witzig fand wie ich – zumindest nicht in der Situation –, mussten wir hinterher beide lauthals lachen!

Also, nach sechshundert Jahren habe ich mehr oder weniger alles schon gesehen und alles schon gemacht, aber ich muss sagen, wenn ich mit Ever zusammen bin, kommt mir alles wieder ganz neu vor. Disneyland war super, beim Pferderennen war es super, und weil das alles neu für sie ist, kann auch ich alles unter einem frischen, neuen Blickwinkel betrachten. Ich arbeite gerade am perfekten Date für ihren Geburtstag …, aber das ist alles noch in Planung …

Offen gestanden habe ich im Lauf der Jahre alles Mögliche ausprobiert, aber zurzeit trage ich am liebsten eng anliegende Boxershorts.

Tja, wir müssen unbedingt diesen Fluch brechen, damit wir einander wieder berühren können, und obwohl wir eine ganze Ewigkeit Zeit dafür haben, hoffe ich ehrlich gesagt, dass es wesentlich schneller geht – so langsam macht es mich nämlich wahnsinnig!